Es ist viel mehr als Fotografie. Es ist ein neues Leben. Er trägt Caracas, Venezuela im Herzen. Dort ist seine Welt. Hier sein neues Zuhause. Ein Pendeln zwischen Armut, Gewalt und unserer luxuriösen Sicherheit. Er hat als Tellerwäscher begonnen. Und fängt nun langsam an, von seinen Bildern leben zu können. Ronald Pizzoferrato. Ein Treffen mit einem jungen Mann, der etwas zu sagen hat. Der etwas zu zeigen hat.

Irgendwann mitten im Gespräch in einem Berner Lokal platzt Florian Spring rein. Ein lokaler Fotograf. Fröhlich, freundlich. Sie tauschen Kameras. Und so schnell er gekommen ist, ist Florian auch wieder verschwunden. «Er ist mein Bruder» sagt Ronald. «Er hilft mir, mich hier zurecht zu finden. Diese Welt zu verstehen. Ein wunderbarer Mensch». Ronald brauchte einen Bruder in Bern. Er ist aus Caracas. Vor viereinhalb Jahren der Armut seiner Heimat entflohen und nach Bern gezogen. Und nun angekommen.

 

Vom Tellerwäscher zum Fotografen

«Es ist unglaublich. Ich verdiene Geld mit meiner Fotografie». Der 30-jährige ist voller Energie. Er erzählt und spricht leidenschaftlich. Von seiner Heimat. Von seinem neuen Leben. Von seinem Weg. Und dieser Weg hat es in sich. «Es ging plötzlich alles sehr schnell. Verschiedene Leute, die mir sehr nahestehen, sahen ein grosses Potential in meinen Bildern. Vor allem Tiziana Amico und Florian Spring. Da war ich noch ein Hobbyfotograf. Weil in Venezuela, da wo ich herkomme, ist die Fotografie kein Thema. Fotografie ist elitär. Und vor allem Fotojournalisten, auf der Jagd nach Sensationsbildern sind grundsätzlich eher der Feind der Leute. Niemand traut dir. Niemand will auf ein Bild».

Es tönt abgedroschen. Die berühmte Karriere vom Tellerwäscher zum erfolgreichen Künstler. Aber genau diese Geschichte muss hier erzählt werden. Denn Ronald reinigte die Teller in eben genau diesem Lokal in welchem wir sitzen. Bis sein Potential entdeckt wurde. «Ich war überrascht und überwältigt, als ich es mit meinen Bildern in drei Museen und Galerien in Bern, Thun und Biel schaffte. Dann kam der Gewinn des World Photo 2018 Awards von Globetrotter. Und schliesslich die Publikationen bei Swiss Press Photo und Reporter ohne Grenzen. Nun sitze ich hier als Fotograf und habe ein neues Leben. Ein richtiges Leben». Es scheint, als könne er es selbst noch nicht ganz fassen. Seine Augen strahlen Glück aus. Und einen enormen Willen.

Mit der M240 zwischen Gangsterbanden und Polizei

Dass der junge Mann aus Caracas mit einer Leica fotografiert, verdankt er einem Ausflug nach Bümpliz. «Ich dachte sofort, die muss ich haben. Eine M6. Sie war Aktion und zog mich sofort magisch an. Ich habe schon immer auch analog fotografiert, aber bis dahin noch nie mit einer Leica». Kamera und Fotograf passten perfekt zueinander. Seine Fotografie, deren Umstände, sind wie gemacht für die Leica-Fotografie. «Ich bewege mich in Caracas in einem heiklen Umfeld. Zwischen Gangsterbanden und Polizei. In Armenvierteln, in sogenannten Barrios. Ich will den schwierigen Alltag dokumentieren welcher die Einheimischen leben. Die Leute haben nichts mehr. Supermärkte sind leer. Das Volk leidet und hofft. Wenn ich dort fotografiere, darf ich nicht auffallen. Ich muss schnell sein. Niemand traut dort einem Fotografen. Darum ist die Leica perfekt. Weil sie so unauffällig ist. Diskret».

Inzwischen besitzt er eine zweite Leica. Die M240. Er dokumentiert. Er filmt. Er hat etwas zu sagen. Leica ist sein bester Partner. «Es ist eine andere Fotografie. Du musst dich wirklich mit der Kamera auseinandersetzen. Du musst sie kennenlernen. Dafür schenkt sie dir unglaubliche Bilder. Vor allem im Bereich der Dokumentation und Strassenfotografie, was ich ja am liebsten mache, ist sie unglaublich gut». Foto Video Zumstein, die offizielle Leica-Boutique in Bern unterstützt den jungen Profifotografen. Mit gutem Grund. Seine Bilder faszinieren. Genauso, wie auch er selbst fasziniert. Man fühlt, dass er in diesen dokumentierten Momenten in Caracas aufgeht. Dass er Teil dieser Welt ist. War. Und immer bleiben wird.

Stolze Familie in Venezuela

Ronald Pizzoferrato. Propatria.

«Meine Familie ist immer noch dort. Sie sind stolz auf mich. Und manchmal zerreisst es mich fast. Denn wie schlechter es meinem Land und den Leuten dort geht, wie erfolgreicher bin ich hier als Fotograf. Ich bewege mich zwischen zwei Welten». Momentan ist Venezuela ein heisses Thema in allen Medien. Die politische Situation, das Elend. Genau deshalb ist Ronald ein gefragter Mann. SRF berichtete über Caracas mit Bildern von Ronald. Und einem Interview. Seine Bilder werden in der NZZ. Auf Vice. Auf Watson. «Es ist paradox. Mir eröffnet sich ein neues Leben hier. Derweil leiden und hoffen meine Leute in Venezuela weiter. Klar, habe ich immer auch Angst um sie. Mein Herz bleibt in Caracas. Auch wenn ich momentan sehr glücklich bin in Bern».

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